——–Kommentar von Frank Wahlig ———-
Nach der Entscheidung des DB-Aufsichtsrats Stuttgart21 am 5.3.2013, trotz 2 Milliarden Euro Mehrkosten weiter zu bauen, gab Frank Wahlig in SWR2 Aktuell (http://mp3-download.swr.de/zi/swr-aktuell/20130305-1857.6444m.mp3 von 3:38 bis 5:38) den folgenden Kommentar ab:
„Das ist vernünftig, die Weichen bleiben gestellt, Stuttgart21 wird gebaut. Es wird mehr Geld kosten. Na, und? In diesem Fall ist es gut angelegtes Geld. In der Tat, die künftigen Generationen werden den Profit davon haben. Gerade für Stuttgart ist es ein Modernisierungsprogramm sonder Gleichen. Und für Deutschland ist Stuttgart21 so etwas wie der Ausweis, dass dieses Land nicht alles verhindert, klein redet, blockiert, nicht in Technologiefeindlichkeit erstickt. Stuttgart 21 wird ein Bahnhof der neuen Generation für eine neue Generation. Deutschland zeigt, was es kann. Gegen den Widerstand der Grünen, die dabei sind, oder dabei waren, das zu bestimmen, was in Deutschland Fortschritt, was in Deutschland die Moderne ausmacht. Das ist politisch gar nicht zu unterschätzen. Skepsis, Ablehnung, Furcht vor dem Morgen, die Bahn, will heißen auch die Bundesregierung, hält dagegen. Endlich! Zukunft ist nicht nur denkbar, sondern soll machbar bleiben und Wirklichkeit werden. Auch das ist das Signal, das aus Berlin heute kommt. Glaube doch keiner die Demonstranten gegen den Bahnhof wollten den sparsamen, sinnvollen, vernünftigen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Nein! Es geht um Verhinderung von dem, was früher Fortschritt hieß. Was das Land stark und modern machte und wohlhabend. Die Bahnhofsgegner wehren sich gegen eine Moderne, die mehr ist als ein Windrad. Stuttgart 21 ist kein Experiment. Stuttgart 21 ist ein Beispiel dafür, wie in anderen Städten Zukunft gebaut werden kann. Frankfurt, München, auch hier gibt es Pläne die Geleise unter die Erde zu verlegen und Raum für Menschen zu gewinnen und den Städten einen Entwicklungsschub zu geben, wie es ihn seit dem späten 19. Jahrhundert nicht mehr gegeben hat. Damals wurden die Kathedralen der Moderne gebaut. Die großen Bahnhöfe eben. Stuttgart 21 könnte zum sichtbaren Zeichen einer neuen deutschen Moderne werden.“
Frank Wahlig aus Berlin http://www.ard-hauptstadtstudio.de/korrespondenten/radio/swr/frankwahlig101.html
Beruflicher Abschluss: Studium (M.A.) der Geschichte, Archäologie, Philosophie, Germanistik http://media.tagesschau.de/audio/2013/0305/AU-20130305-1541-1601.mp3
———— Kommentar von Frank Heuser —————
Das ist völlig unvernünftig. Es wird mehr Geld kosten, Geld, das an vielen Stellen im Bahnverkehr dringend gebraucht wird. Geld, das für einen einzelnen Bahnhof verprasst wird, der keinerlei Mobilitätsgewinn für die Bahnnutzer bringen wird, keinerlei Erweiterungsmöglichkeiten bietet. Künftige Generationen werden in Autos gezwungen werden, da ein halb so großer Bahnhof auch nur halb so viele Züge abfertigen kann. Die Wundergläubigkeit, selbst von Akademikern, dass diese technische Wahrheit dadurch aufgehoben werden kann, dass man den Bahnhof verbuddelt, ist erschreckend. Versprechungen in die technische Machbarkeit des Projektes von BWLern, die nur ihr eigenes Portemonnaie im Blick haben, werden als glaubwürdiger angesehen, als die Aussagen von Bahnexperten und Physikern. Liebe Journalisten: Gesetze kann man brechen, Demokratie übergehen, Naturgesetze kann man aber nicht brechen. Letztere Wahrheit ist unpopulär in Deutschland und wir als rückwärts gewandt, skeptisch und unmodern bezeichnet. Die Technik kann zwar vieles, aber nur innerhalb der Naturgesetze. Und so hat die Ablehnung von S21 nichts mit „Furcht vor dem Morgen“, Furcht vor der Morgendämmerung der Moderne, also vor Aufzügen und Tunneln, zu tun, sondern dass die Bahnnutzer auch morgen barrierefrei und sicher von einem Zug in den anderen wechseln wollen. Zukunft kann man nicht machen, aber man kann die Gegenwart derart gestalten, dass die Zukunft angenehmer – für alle – wird. Das bedeutet sparsamer Umgang mit den Resourcen, so dass man sie für gute Projekte auch in Zukunft verwenden kann, dazu gehören Windräder und eine funktionierende energiesparende elektrifizierte Bahn. Davon können zukünftige Generationen profitieren, das macht wohlhabend! Ein paar qm Flächen an einer Stelle, wo sie nicht gebraucht werden – Flächen in direkter Nähe sind seit einem Jahrzehnt frei und unbebaut – sind nicht die Moderne deutscher Städte, nicht die Zukunft. Das haben auch München und Frankfurt erkannt und schon lange die Pläne, ihre Kopfbahnhöfe unter die Erde zu versenken, begraben. Mit der industriellen Revolution wurden die Bahnhöfe bis ins Herz der Städte, ans Ziel der Fahrgäste, gebaut, obwohl dies fürs Umkoppeln damals ein großes Problem darstellte. Aber der Komfort für die Kunden hatte Vorrang. Stuttgart 21 ist die inkarnierte zentrale Frage der Zukunft: Soll der umweltfreundliche Bahnverkehr oder der umweltschädliche Autoverkehr (Feinstaub am Neckartor) ausgebaut werden. Die Autoindustrie hat sich vorerst durchgesetzt.
dipl. phys. Frank Heuser aus Tübingen
Eigentlich wollte ich nur einzelne Aussagen des Kommentars von Frank Wahlig kommentieren, aber leider birgt der Kommentar derart viele Verdrehungen und Unterstellungen, dass er nur als Ganzes komplett „besprochen“ werden konnte. Mich treffen bei diesen Pamphleten der S21 Befürworter am stärksten die Vorwürfe: „Technologiefeindlichkeit“ und „Furcht vor dem Morgen“. Ich bin Physiker und habe in meiner Diplomarbeit mit C++ ein Programm zur Lösung von Differentialgleichungen zum Betrieb auf Supercomputern geschrieben. Nun baue ich Dynamos und bin für die EDV in meinem Betrieb verantwortlich. Jedes mal, wenn den S21 Gegnern „Technologiefeindlichkeit“ vorgeworfen wird, überlege ich mir, ob ich eine Anzeige wegen Beleidigung machen muss. Ich habe keine „Furcht vor dem Morgen“, ich weiß nur, was technisch machbar ist und was nicht. Dann gibt es die immer wiederkehrenden Parolen wie z.B. „Raum für Menschen schaffen“: Ja warum werden dann nicht die B14 und B27 unter die Erde gebracht,
was technisch viel einfacher wäre und der Feinstaub wäre auch sicher im Tunnel untergebracht. Stuttgart 21 hat nur einen Bahnrückbau als Ziel. Erstaunlicher weise fehlt in diesem Kommentar die Magistrale Paris-Bratislava. Auch der sparsame Umgang mit Steuergeld ist mir wichtig. Vor allem wenn ich sehe, wo das Geld fehlt (z.B. Elektrifizierung der Strecken in BaWü oder die Regionalstadtbahn Neckar-Alb). Die industrielle Revolution hat das Land tatsächlich wohlhabend gemacht. Aber auch viele neue Probleme geschaffen, die vorher nicht existierten. Das Hauptproblem ist aber, sollte man einfach mit dem Resourcenverbrauch weitermachen, wie bisher, oder gar ihn noch beschleunigen, dann wird das Land ganz schnell bitter arm werden. Das ist keine Zukunftsangst, das ist ein Naturgesetz: Wenn weg, dann weg. Man nennt das auch Energieerhaltungssatz und Massenerhaltungssatz und die sollte man nicht klein reden. Das Projekt S21 wird scheitern, wenn nicht jetzt an der Unfähigkeit die technische Herausforderungen bereits im Vorfeld zu erkennen und zu beplanen und zu beziffern, dann wenn die Bahn im Berg stecken bleibt und ein paar zusätzliche Milliarden braucht. Das wird den Ruf Deutschlands viel stärker schaden, als die Botschaft, dass Großprojekte nur demokratisch im Konsens mit der Bevölkerung gestemmt werden können.